Die letzten Themenhefte zum Thema „Gruppenpsychotherapie“ wurden in der Zeitschrift Psychotherapeut 2011 und 2016 veröffentlicht. Im Jahr 2011 begann das Heft noch mit einer eher negativen Prognose. König (2011) machte sich damals Gedanken über das „allmähliche Verschwinden der Gruppenverfahren“. Das änderte sich dann schon in der Heftausgabe des Jahres 2016, dessen Editorial (Strauß 2016) mit dem Titel „Renaissance der Gruppenpsychotherapie“ versehen war. Diese Renaissance zeigt sich seither auch an Veröffentlichungen in dieser Zeitschrift mit gruppentherapeutischem Fokus (z. B. Lampalzer und Briken 2019; Dobersch et al. 2018; Van Haren und Willweber 2018; Fritz et al. 2019). Damals wurde darauf hingewiesen, dass die Politik plötzlich Interesse an der Förderung der Gruppenpsychotherapie gefunden und diese Förderung sogar als explizites Ziel in den damaligen Koalitionsvertrag geschrieben hatte.

Tatsächlich wurde seither einiges unternommen wie beispielsweise die Ermöglichung der Kombination von Einzel- und Gruppenbehandlungen in der Richtlinienpsychotherapie. Schon 2016 deuteten sich weitere Reformen an, die mittlerweile nun tatsächlich realisiert sind. Ein ganz wesentlicher Beschluss wurde im vergangenen Jahr im Kontext der Reform der Psychotherapeutenausbildung vom Gesetzgeber beschlossen, nämlich der sofortige Wegfall des Gutachterverfahrens für Gruppentherapien. Auch hier wurde begründet, dass die ambulante Psychotherapie in Form von Gruppentherapie, die derzeit nur in geringem Umfang durchgeführt würde, gefördert werden soll (Deutscher Bundestag Drucksache 19/13585, 2019, S. 85).

Es gibt momentan eine ganze Reihe von Forschungsvorhaben, die ganz allgemein Reformen der Psychotherapierichtlinien bzw. -vereinbarung im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf die psychotherapeutische Praxis gründlich untersuchen. Wir werden also noch etwas warten müssen, bis wir tatsächliche Belege dafür haben, dass die Gruppenpsychotherapien im ambulanten Versorgungssektor häufiger durchgeführt werden.

Im Kontext der Ausbildung ist jedenfalls zu bemerken, dass sich die Ausbildungsinstitutionen vermehrt darum bemühen, die notwendige Fachkunde für Gruppenpsychotherapien verfahrensabhängig auch möglichst frühzeitig in der Ausbildung zu vermitteln, was u. a. dann den Psychotherapeuten in Ausbildung erleichtert, mit Gruppen in klinischen Einrichtungen umzugehen, in denen Gruppenpsychotherapien nach wie vor das Setting der Wahl darstellen.

Die Tatsache, dass wir im Jahr 2020 bereits wieder ein Schwerpunktheft zu Gruppenpsychotherapie geplant haben, erklärt sich aus den beschriebenen Entwicklungen, die wirklich rasant vonstattengingen und dazu führten, dass sich die Barrieren gegenüber der Durchführung von Gruppenpsychotherapien dramatisch reduziert haben.

Es gibt aber noch eine Reihe anderer Gründe, sich intensiver mit Gruppen zu beschäftigen: Auch anderswo gewinnt die Gruppenpsychotherapie offenbar an Bedeutung und Attraktivität. Die American Psychological Association (APA) hat im vergangenen Jahr beschlossen (nach sehr langen und intensiven Diskussionen), „Gruppenpsychologie und Gruppenpsychotherapie“ als evidenzbasierte Spezialisierung anzuerkennen, was mit der Vermittlung von spezifischem Wissen und dessen Anwendung in vielfältigen Problemfeldern verbunden ist. In der Beschreibung der Spezialisierung heißt es, dass sie Gruppenleiter darauf vorbereiten würde, Entwicklungs- und Veränderungspotenziale zu identifizieren und zu nutzen, die mit den interpersonellen und intrapsychischen Funktionen eines einzelnen Gruppenmitglieds und der gesamten Gruppe verbunden sind. Dabei solle speziell darauf geachtet werden, die Gruppendynamik zu nutzen, um die Mitglieder einer Gruppe zu unterstützen und zu behandeln. Die Spezialisierung ist nicht eingeschränkt auf irgendwelche Altersgruppen oder Anwendungsgebiete und bezieht sich auf vielfältige Settings innerhalb des Gesundheitssystems.

Parallel zu diesen mehr berufs- und ausbildungsbezogenen Entwicklungen hat sich die Forschung im Bereich der Gruppenpsychotherapie deutlich weiterentwickelt und zeigt einen Evidenzstand, der eigentlich dafür spricht, gruppentherapeutische Ansätze in fast alle Behandlungsleitlinien aufzunehmen (was allerdings bislang noch selten geschehen ist). Eine kurze Zusammenfassung der neuen Forschungsergebnisse, die ausführlich in einem entsprechenden Kapitel des 2021 in der 7. Auflage erscheinenden Handbook of Psychotherapy and Behavior Change dargestellt werden (Burlingame und Strauss 2021), ist in einer Übersicht dem vorliegenden Heft vorangestellt.

Das Heft behandelt außerdem Materialien und Unterstützungsmittel für gruppentherapeutisch Tätige, die in der Praxis hilfreich sein können, und beschreibt eine Reihe von Studien aus dem klinischen Feld, einschließlich des Umgangs mit neuen Herausforderungen, wie beispielsweise der Durchführung von Gruppenbehandlungen junger Erwachsener in der Psychiatrie.

Damit sind wir bei dem dritten Hintergrund dieses Schwerpunkthefts: Die meisten der hier aktiven Autorinnen und Autoren sind und waren Mitglied des bereits 1989 gegründeten Arbeitskreises zur Forschung in der stationären Gruppenpsychotherapie (Strauß 2011), der sich im Kontext der damals gegründeten und mittlerweile vermutlich schon fast in Vergessenheit geratenen Mainzer Werkstatt zur Forschung in der stationären Psychotherapie (initiiert durch Markus Bassler und Sven Olaf Hoffmann) konstituierte. Der Arbeitskreis wurde zunächst von Jochen Eckert aus Hamburg gemeinsam mit mir ins Leben gerufen und geleitet. Nachdem Jochen Eckert ruhestandsbedingt ausschied, übernahm Karin Schreiber-Willnow, die hier ebenfalls als Koautorin fungiert, seine Koleitungsfunktion. Auch Karin Schreiber-Willnow hat sich offiziell vor 2 Jahren aus dem Arbeitskreis verabschiedet, und ich selbst habe dies bei unserer letzten Sitzung im vergangenen Jahr in Heidelberg ebenfalls getan und die Leitung in die Hände von Ulrike Dinger-Ehrenthal gelegt, die sich nun weiter aktiv um den Fortgang der Forschung im Bereich der stationären Gruppenpsychotherapie kümmern will. Insofern ist die Herausgabe dieses Hefts ein guter Zeitpunkt, um diesen Wechsel zu markieren und einiges zu dokumentieren, das von den Mitgliedern des Arbeitskreises in jüngster Zeit an Forschungsaktivitäten geleistet wurde.

Nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass die Planung des Schwerpunkthefts relativ kurzfristig erfolgen musste, danke ich allen, die sich an dem Heft in der Funktion einer Autorin oder eines Autors beteiligt haben, aber auch in der Funktion einer Gutachterin oder eines Gutachters und vermute, dass auch die Leser sehen werden, dass es um die Zukunft der Gruppenpsychotherapie gut bestellt ist.