Einleitung

Die Tagung der Gesellschaft für Kunststoffe im Landbau (GKL) zum Nachhaltigen Einsatz und Ansätzen zur Kreislaufwirtschaft von Kunststoffen im Gartenbau und in der Landwirtschaft bei der Firma FVG in Dernbach/Westerwald Ende September wurde von Prof. Dr. Karl Schockert geleitet (Abb. 1).

Abb. 1
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Prof. K. Sckockert leitete die 48. GKL Tagung im September 2019

Ziel war ein Überblick über erste Zwischenergebnisse, Eckdaten und Hochrechnungen aus laufenden Entwicklungen und Forschungsprojekten zu Agrarfolien (Mulchfolien, Tunnelfolien, Reflexionsfolien, Vliesen, Hagelnetzen) – und die Vorträge in der Expertenrunde kritisch in den Kontext der Kreislaufwirtschaft der Kunststoffe (Abb. 2) einzuordnen.

Abb. 2
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Angestrebter Kreislauf der Kunststoffe in der Landwirtschaft und Gartenbau

Weltweite und deutschlandweite Verbreitung von Kunststoff

Auf der Erde gibt es zurzeit ca. 25 Mrd. t Kunststoff; pro Jahr kommen ca. 450 Mio. t Kunststoff dazu (Tab. 1), ein Teil davon wird nach seiner Nutzung zur Energiegewinnung thermisch entsorgt und dient der Strom- oder Wärmegewinnung. In Deutschland werden pro Jahr ca. 70.000 t Kunststoffe hergestellt und ca. 17.000 t recycelt, in Deutschland wird etwa die Hälfte des Kunststoffabfalls wiederverwertet.

Tab. 1 Übersicht über die Kunststoffverbreitung weltweit und in Deutschland. (© Plastics Europe 2018)

Definition und Ursprung von Mikroplastik: Autoreifenabrieb als Hauptverursacher

Aus dem aktuellen Forschungsvorhaben bzw. der Konsortialstudie Kunststoffe von Juni 2018 des Fraunhofer-Institutes UMSICHT in Oberhausen stellten Mona Duhme und Ralf Bertling Hochrechnungen zu den möglichen Mikroplastik-Emissionswerten vor (Tab. 2). Unter Mikroplastik versteht man Partikel und Fasern aus Kunststoff ohne Größenbeschränkung; Mikroplastik akkumuliert. Die primäre Mikroplastik vom Typ A ist in Gebrauchsmitteln, die vom Typ B entstehen entweder erst bei Gebrauch oder erst mit der Zeit. Nach heutigem Wissensstand macht dabei der Abrieb der Autoreifen (Typ B) mit ca. 100.000 t Mikroplastik/Jahr den mit 87 % überwiegenden Anteil von Mikroplastik aus, gefolgt von Kosmetika/Körperpflegemitteln (Mikroplastik Typ A); hinzu kommt Mikroplastik aus Abrieb durch Schuhsohlen, Waschen von Textilvlies u. a.. Nach dieser Konsortialstudie emittiert jeder Deutsche pro Jahr ca. 5,4 kg Plastik, davon 1,4 kg Makroplastik (26 %) und ca. 4 kg Mikroplastik (74 % bzw. 330.000 t/Jahr).

Tab. 2 Typen und Emissionsquellen von Mikroplastik (© Fraunhofer UMSICHT 2018) – Schätzungen und Hochrechnungen aus der Anzahl der Kfz und ihrer Jahresfahrleistung

Diese Werte in Tab. 2 sind höher als die von 5 ebenfalls in dieser Konsortialstudie von Juni 2018 zitierten Autoren mit Werten um 1,5–3,0 kg/Kopf/Jahr. Wie umstritten diese Berechnungen sind, zeigte auch die Diskussion um Mikroplastik auf Sportplätzen mit Kunstrasen nach einer UMSICHT-Studie. Die genauen Ergebnisse des laufenden imulch-Projektes zum Verhalten von Mulchfolien Polymeren in der Landwirtschaft werden zum Ende des Projektes 2022 vorgestellt.

Mögliche Ursachen von Mikroplastikeinträgen/-emissionen im Gartenbau und in der Landwirtschaft

Die UMSICHT Konsortialstudie von Juni 2018 wurde im Juli 2019 von der Bundesgütegemeinschaft Kompost (BGK 2019a) kritisiert, die die insgesamt ausgebrachten Kompostmengen von 5,9 Mio t auf ca. 4,07 Mio. t/Jahr sowie die jährliche Fracht an Kunststoffen von 12.000 t bei UMSICHT um das 15fache auf 817 t/Jahr korrigierte – und zwar für Kompost und Gärreste (BGK 2019a). Bei einem Anteil von 53 % für Kompost in Gartenbau und Landwirtschaft bzw. 436 t/Jahr ergibt sich bei ca. 14 % (1,8 % Erwerbsgartenbau, 2,7 % Sonderkulturen, 7,4 % Hobbygartenbau und 2,1 % Sonstige) (BGK 2019b) ca. 61 t Mikroplastik/Jahr (Tab. 3) für die Flächen der ca. 200.000 ha Obst- (einschl. Baumschulen) und Gemüsebau in Deutschland, auf denen Kompost ausgebracht wird.

Tab. 3 Plastikfracht im Kompost für den Gartenbau – berechnet nach Angaben des BGK (2019a, 2019b)

Der Anteil der mit Kompost in die Umwelt eingetragenen Mengen an Kunststoffen wurde von der BGK in 2019 auf ca. 0,1 % der Gesamt-Kunststoffeinträge geschätzt, so dass Kompost im Rahmen des Stoffkreislaufes (‘Cicular economy’) (Abb. 2) ein wertvolles Gut zur Nährstoffversorgung und Anreicherung der organischen Substanz bzw. Kohlenstoffs im Boden (‘Carbon sequestration’) bleibt (Blanke und Kirsch 2002). Klärschlamm wird im Gartenbau seit langem nicht mehr eingesetzt (Blanke und Kirsch 2002) und Gärreste in sehr geringem Umfang (Blanke und Kirsch 2004).

Martin Henseler, Elke Brandes und Peter Kreins vom Thünen Institut stellten die beiden Forschungsprojekte Plawes und Catch_Balt mit ersten vorsichtigen Annahmen, Hochrechnungen bzw. Zwischenergebnissen vor, woher Mikroplastik im Gartenbau und Landwirtschaft kommen könnte (Tab. 4); die genauen Ergebnisse und Details werden nach Abschluss der beiden Projekte veröffentlicht.

Tab. 4 Mögliche Ursachen von Mikroplastikeinträgen/-emissionen im Gartenbau und in der Landwirtschaft – Schätzung aufgrund von Hochrechnungen (keine Erhebung/keine Analysen). (© Thünen Institut)

Da bisher keine Werte für die Emissionen von Mikroplastik aus Agrarfolien vorliegen, wurden diese in Tab. 4 von den Autoren als 1 oder 5 % (willkürlich) angenommen – dies führte zu einer heftigen Diskussion im Auditorium.

Folieneinsatz (LDPE und HDPE) im Gartenbau zur Versorgung des Verbrauchers mit saisonalen, regionalen Produkten

Isabelle Lampe stellte die Ergebnisse der letzten GKL Umfrage 2018/19 gemeinsam mit Frau Freyer zum Einsatz von Kunststoffen im deutschen Gartenbau vor – die Werte in Tab. 5 beruhen auf Schätzungen der regionalen Offizialberatung.

Tab. 5 Schätzung des Folieneinsatzes im deutschen Gartenbau aufgrund Befragungen der Offizialberatung durch Freyer und Lampe (2018). (Quelle © GKL Umfrage 2018/9)

Setzt man diese Werte in Bezug zu den vom BMEL (2014) und von Garming et al. (2017) zeitgleich erhobenen Anbauflächen, so ist der Einsatz auf ca. 22 % der Obstbauflächen, nahezu 100 % im Spargelanbau und auf ca. 13 % der Gemüsebau-Flächen zu finden, wobei bei Erdbeeren der Einsatz von schwarzer Mulchfolie im Tunnelanbau (Abb. 3) zu Doppelnennungen führte. Der geschützte Anbau von Erdbeeren im Tunnel (ca. 1700 ha nach Linnemannstöns 2018) und die Abdeckung mit schwarz-weißer Folie beim Spargel dient der Verfrühung dieser Kulturen, um die vom Konsumenten und Handel geforderten Produkte aus regionalem Anbau zur Verfügung zu stellen. Bei Süßkirschen (ca. 700 ha nach Balmer und Kockerols 2018) trägt der Folientunnel zur Vermeidung des Platzens der Früchte bei nasser Witterung bei (Abb. 4). Ohne diese Folien wären zu dieser Zeit eine Versorgung des deutschen Marktes bzw. Konsumenten nur mit Importware z. B. aus Spanien, Italien, Griechenland, Türkei oder Marokko möglich.

Abb. 3
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Tunnelanbau für Erdbeeren. (© C. Lankes, Uni Bonn)

Abb. 4
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Tunnelanbau für Süßkirschen. (© M. Blanke, Bonn)

Ausdehnung der Sammelsysteme für Hagelnetze

Am Bodensee bestehen von der BayWa (Abb. 5) als auch der MaBo seit 2017 Rückholsysteme für verbrauchte Hagelnetze, die ab 2020 auf ganz Deutschland ausgedehnt werden sollen.

Abb. 5
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Aufrollen gebrauchter Hagelnetze (HD-PE) zum Recyceln. (© R. Holzwarth, BayWa)

‘ERDE’ zum Rückführen und Recycling von Folien aus Gartenbau und Landwirtschaft

Von 70.000 t geschätzter Jahresproduktion wurden 2019 ca. 17.000 t Folien recycelt (Tab. 7). Die unterschiedliche Lebensdauer bzw. längere Lebensdauer der Folien als 1 Jahr (Tab. 6) erklärt einen Teil der Differenz zwischen beiden Werten.

Tab. 6 Langlebigkeit: Geschätzte Haltbarkeit der Gartenbaufolien. (Blanke 2017)
Tab. 7 Rückführungsquoten von Kunststofffolien aus Gartenbau und Landwirtschaft. (© Thomas Neck, RIGK, 2019)
Tab. 8 Alternativen zu schwarzen Blumentöpfen aus neuem Kunststoff

Bei der erfolgreichen Rückführung von leeren und gesäuberten Kunststoffbehältern für Pflanzenschutzmittel (‘PAMIRA’; 3500 t/Jahr, ca. 94 % Recyclingquote) ist die Teilnahme als Anreiz Bestandteil der QS/GlobalGAP Zertifizierung der Gartenbaubetriebe. In Anlehnung an das freiwillige ‘PAMIRA’ baut die RIGK ein freiwilliges Rückholsystem ‘ERDE’ (Erntekunststoffe Recycling DEutschland; www.erde-recycling.de) mit bisher 77 Sammelstellen auf; ERDE (Abb. 6) ist eine Initiative vieler europäischer Kunststoffhersteller.

Abb. 6
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Logo des ERDE Rückhol- und Recyclingsystem für Agrarfolien (LD-PE). (Beide © ERDE)

Thomas Neck vom RIGK berichtete, dass 2018 13.000 t Kunststofffolien (einschl. Vliese und Netze) aus Gartenbau und Landwirtschaft eingesammelt wurden, 2019 werden es ca. 17.000 t sein (Abb. 7) mit Schätzung von 25.000 t im Jahre 2022 (Tab. 7). Ab 2020 sollen auch schwarz-weiße Taschenfolien aus dem Spargelanbau dazukommen, bei denen der hohe Verschmutzungsgrad mit Sand problematisch ist.

Abb. 7
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Agrarfolien – Sammelmengen der ERDE – in Tonnen/Jahr

Schwarze Kunststoff-Blumentöpfe schwierig auszusortieren

Die Blumentöpfe, die die Verbraucher unachtsam mit der verwelkten Pflanze/Blume in der Biotonne entsorgen (Abb. 8), gehören mit zu den Ursprüngen von (Mikro‑)Plastik im Kompost, in dem keine Kunststoffe ausgesondert werden.

Abb. 8
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Biotonnen, in die der Verbraucher Kunststoff entsorgt, werden nicht mehr überall geleert. (© H. Heinritz)

Aber auch in der gelben Tonne bzw. im gelben Sack können schwarze Blumentöpfe und andere schwarze Plastikartikel wie leere Herren Shampoo-Behälter nicht aussortiert werden. Die schwarze Farbe absorbiert die NIR Strahlen im ersten Sortierdurchgang, die sonst eine Zuordnung zu PET, PP oder PE und Recycling ermöglicht.

Pfand für Blumentöpfe – eine individuelle innovative Lösung

Die Gärtnerei Heino Schwarz im Landkreis Ansbach (Bayern) geht einen anderen Weg als die Verwendung recycelter Töpfe; sie erhebt 6 Cent Pfand für ihre eigenen mit Firmenlogo bedruckten Blumentöpfe (Abb. 14), ein Beitrag, der zur Finanzierung einer besonderen Topfmaschine notwendig ist. Zu Beginn dieser Aktion wurden ca. 30 % der Töpfe wieder verwendet – das Ziel ist 70 %; der Ausschuss unbrauchbarer Blumentöpfe beträgt ca. 5 % (Homepage und pers. Mitteilung H. Schwarz, 2019). Durch die Wiederverwendung entfallen Sammlung, Abtransport und Wiederaufbereitung der alten Blumentöpfe mit vom Autor geschätzten 2 Mio. t CO2eq Ersparnis pro Jahr.

Sind Ersatz, Biokunststoff oder Recyclingprodukte die Lösung?

Die längere Abbauphase bestimmter Biokunststoffe überschreitet die Kompostierungsphase vieler Kompostwerke von 2–3 Wochen, so dass die meisten Biokunststoffe nicht für die Biotonne geeignet sind. Biokunststoffe aus Mais stehen zudem in der Konkurrenz sowohl zur Nahrungsmittelproduktion als auch zu den Biogasanlagen.

Bei Rückführung der Gartenbaufolien durch ein System wie ‘ERDE’ werden die gebrauchten Folien an Zentralstellen eingesammelt, komprimiert, kompakt zu den Recycelbetrieben abtransportiert und dort durch Shreddern erst zu flakes (Abb. 9) und dann zu Recyclatpellets (Abb. 10) aufgearbeitet, so dass bei dieser Entsorgung kein Mikroplastik entsteht und dann zu den folgenden Produkten verarbeitet werden kann:

Abb. 9
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Flakes als Vorstufe für Regranulat. (© M. Blanke, Bonn)

Abb. 10
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Kunststoff-Pellets

Produkte aus Recyklaten bzw. Polyolefinen (PP/PE)

Die Palette von Produkten aus Recyclat reicht von Kompostern, Rasenkanten (Abb. 11 und 12), Schneckenbarrieren bis zu Wurzelsperren (Tab. 9), Topfhaltern von mtm bis zur „blauen Blumentopf-Serie“ der Fa. Pöppelmann (Abb. 13).

Abb. 11
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Rasenkante der Fa. FVG. (Foto: H. Klar)

Abb. 12
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Rasenkante der Fa. FVG. (Foto: M. Blanke)

Tab. 9 Beispiele für Produkte aus Polyolefinen (PP/PE) Recyclat
Abb. 13
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Blauer Recycling-Blumentopf der Fa. Pöppelmann. (Photo: M. Blanke)

Strategien für den Kunststoffkreislauf – „Re-think plastics“

Günther Orschulik (Fa. Pöppelmann) und Wouter Zieck (Fa. Desch) stellten in ihren Vorträgen ganzheitliche Kunststoffkreislauf-Konzepte (Tab. 8) wie „Re-think plastics“ vor:

  • Material und Energie (Grüner Strom) bei der Herstellung einsparen (z.B. Thermoformtöpfe)

  • Langlebiger Kunststoff und Material wiederverwenden (Gärtnerei Schwarz, Abb. 14)

  • bessere Recyclefähigkeit (Detektierbarkeit des Kunststofftyps, kein Schwarz, kein Kunststoffmix) (Fa Pöppelmann)

  • mehr Kunststoff-Recycling (s. ERDE)

  • alternative Materialien wie recycelter Papierzellstoff (z.B. Desch D‑grade fibre) u.a.

Abb. 14
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Bedruckte Pfand-Blumentöpfe der Fa. Schwarz. (© BR 2019 und © H. Schwarz)

Markt für Recyklate

Den Preis für Recyclate bestimmen Angebot, Nachfrage, Reinheit des Kunststoffes, Aufwand zur Reinigung und Verschmutzungsgrad. Bei R‑PET (aus Recyclat) ist der Preis mit € 1100–1200/t sogar teurer als neues PET, da sie gesondert mit geringem Schmutzanteil gesammelt werden und die Käufer den Mehrwert als Verkaufsanreiz und für Werbung ihrer umweltfreundlichen Produkte bzw. Verpackung nutzen – diese Situation ist bei verschmutzten PE-Mulchfolien im Moment nicht gegeben.

Verbesserung des Carbon Footprint, Beitrag zum Klimawandel und Ersatz für Kunststoffexport nach China

Thomas Neck von RIGK sprach von 9200 t eingesparten CO2 durch die 2018 7000 t eingesammelten Agrarfolien, „weil durch die stoffliche Wiederverwertung einer Tonne des ERDE-Sammelgutes 1,3t CO2 weniger in die Atmosphäre als bei der Produktion einer entsprechenden Menge an Kunststoff-Neuware anfallen.:“ „Durch die eingeführten Importrestriktionen für Kunststoffabfälle in China kommt es zu einem Überangebot an Sekundärkunststoffen auf dem deutschen Markt. Dies führte zu einer erhöhten Auslastung der Recyclingkapazitäten und in Folge dessen zu erhöhten Entsorgungskosten für Kunststoffe. Obwohl Agrarkunststoffe aus dem ERDE-SYSTEM nicht nach China importiert wurden, sind auch in diesem Bereich deutliche Kostenerhöhungen eingetreten (RIGK)“.