Einleitung

Gründe der Aktualisierung

Eine zweite Aktualisierung der S3-Leitlinie „Langzeitanwendung von Opioiden bei nicht-tumorbedingten Schmerzen – LONTS“ (AWMF-Registernummer 145/003) war auf Grund des Regelwerkes der AWMF notwendig (die aktuelle Version der Leitlinie war bis Oktober 2019 gültig). Aufgrund der Opioidepidemie in den USA [20] war eine Aktualisierung auch aus inhaltlichen Gründen sinnvoll.

Ziele der Leitlinie

Die Leitlinie gibt Behandelnden und Patientinnen/Patienten mit chronischen nicht-tumorbedingten Schmerzen (CNTS) Orientierungshilfen über den möglichen Nutzen und Schaden von opioidhaltigen Analgetika. Ärzte erhalten konkrete Handlungsvorschläge für die Durchführung und Beendigung einer Therapie mit opioidhaltigen Analgetika. Unter Berücksichtigung der Kriterien der evidenzbasierten Medizin entsprechen die Empfehlungen dem besten Stand der Erkenntnisse aus Wissenschaft (beste aktuell verfügbare Evidenz) und den Erfahrungen der klinischen Praxis. Diese Leitlinie strebt folgende krankheitsspezifische Ziele an:

Strukturqualität

Durch die Empfehlungen zu möglichen Indikationen und Kontraindikationen, Durchführung und Beendigung einer Therapie mit opioidhaltigen Analgetika sollen Schnittstellenprobleme bei der Überleitung von Patienten zwischen ambulantem, stationärem und rehabilitativem Sektor und zwischen hausärztlichem und fachärztlichem Bereich reduziert werden.

Prozessqualität

  1. 1.

    Die Leitlinie nennt Maßnahmen zur angemessenen Information von Patienten/Patientinnen mit CNTS zur Durchführung einer Therapie mit opioidhaltigen Analgetika.

  2. 2.

    Die Leitlinie stellt Praxiswerkzeuge für die Durchführung und Dokumentation einer Therapie mit opioidhaltigen Analgetika zur Verfügung.

  3. 3.

    Die Leitlinie gibt konkrete Handlungsanweisungen für Ärzte bei Problemen der Therapie mit opioidhaltigen Analgetika beim CNTS.

Ergebnisqualität

  1. 1.

    Die Leitlinie fördert realistische Therapieziele und angemessenes Verhalten (z. B. beim Autofahren) von Menschen, die mit opioidhaltigen Analgetika behandelt werden.

  2. 2.

    Die Fehlversorgung von Patienten mit Fibromyalgiesyndrom (FMS) und somatoformen Schmerzstörungen mit starken opioidhaltigen Analgetika soll reduziert werden.

  3. 3.

    Die Anzahl der Patienten mit missbräuchlicher Verwendung von rezeptierten opioidhaltigen Analgetika soll reduziert werden.

  4. 4.

    Die Patientensicherheit soll erhöht werden.

Patientenzielgruppe

Die Leitlinie wendet sich an alle Betroffenen (Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Menschen aller Geschlechter) mit CNTS.

Versorgungsbereich

Die Leitlinie ist für alle Versorgungsbereiche (Primär,- Sekundär- und Tertiärversorgung; ambulant und (teil-)stationär, Akut- und Rehabilitationsbereich) gültig.

Anwenderzielgruppe/Adressaten

Die Empfehlungen der Leitlinie richten sich an

  • alle medizinischen Berufsgruppen, die mit der Erkennung, Diagnostik und Behandlung von Patientinnen/Patienten mit CNTS befasst sind:

    • hausärztlicher Bereich (Gebiete Innere Medizin und Allgemeinmedizin oder Innere Medizin ohne Schwerpunktbezeichnung, Ärztinnen/Ärzte ohne Gebietsbezeichnung)

    • fachärztlicher Bereich (alle an der Leitlinienentwicklung beteiligten Gebiete der Medizin mit unmittelbarer Patientenversorgung);

  • behandlungsergänzende Fachberufsgruppen (Apotheker, Pflegewissenschaftler, psychologische Psychotherapeuten);

  • Angehörige von Menschen mit CNTS.

Die Leitlinie dient weiterhin zur Information für – weitere Ärztinnen/Ärzte, die Menschen mit CNTS behandeln (u.a. Kinder- und Jugendmediziner), Ergotherapeuten, Physiotherapeuten, Sozialarbeiter und Sozialpädagogen

  • Entscheidungsträgerinnen/Entscheidungsträger im Gesundheitswesen,

  • die Öffentlichkeit über gute diagnostische/therapeutische Vorgehensweisen,

  • die Vertragsverantwortlichen von „strukturierten Behandlungsprogrammen“ und „integrierten Versorgungsverträgen“,

  • die medizinischen wissenschaftlichen Fachgesellschaften und andere Herausgeber von nationalen und internationalen Leitlinien.

Methoden

Zeitlicher Ablauf

Die Aktualisierung der Leitlinie folgte dem Regelwerk der AWMF [3] und den Anforderungen des Deutschen Instruments zur methodischen Leitlinienbewertung [2]. Die methodische Beratung erfolgte durch die stellvertretende Leiterin des AWMF-Instituts für medizinisches Wissensmanagement, Frau Dr. med. Monika Nothacker. Der zeitliche Verlauf des gesamten Entwicklungs- und Konsensusprozesses zur Aktualisierung der Leitlinie ist in Tab. 1 dargestellt.

Tab. 1 Arbeitsschritte und zeitlicher Ablauf des Entwicklungs- und Konsensusprozesses zur Aktualisierung der Leitlinie

Zusammensetzung der Leitliniengruppe

Steuergruppe

Das Präsidium der Deutschen Schmerzgesellschaft nominierte Mitglieder einer Steuergruppe. Kriterien der Auswahl waren eine klinische und/oder wissenschaftliche Expertise in der Therapie mit Patienten/Patientinnen mit CNTS sowie eine möglichst ausgewogene Vertretung der (Teil‑)Gebiete der Medizin bzw. der Psychologie, welche besonders häufig Patienten/Patientinnen mit CNTS behandeln (Anästhesiologie, Geriatrie, Innere Medizin, Neurologie, Orthopädie). Weiterhin war ein Vertreter der Palliativmedizin in der Steuergruppe. Die Aufgaben der Steuerungsgruppe bestanden in der Vorbereitung der Empfehlungen der Leitlinie für die Konsensuskonferenzen. Die Steuergruppe wurde von Herrn Professor Dr. med. Winfried Häuser und Professor Dr. med. Frank Petzke geleitet. Die Mitglieder der Steuergruppe sind in Tab. 2 aufgeführt.

Tab. 2 Mitglieder der Steuergruppe und ihre Mitgliedschaften in weiteren medizinischen Fachgesellschaften in Gebieten der Musterweiterbildungsordnung für Ärzte

Konsensusgruppe

Das Präsidium der Deutschen Schmerzgesellschaft beschloss, alle medizinischen Fachgesellschaften, welche ein Gebiet der Erwachsenenmedizin der Weiterbildungsordnung (WBO) für Ärzte vertreten, zur Teilnahme einzuladen. Weiterhin wurden alle Fachgesellschaften, welche an der ersten Version der Leitlinie teilgenommen hatten, sowie die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin zur Teilnahme eingeladen. Medizinische Berufsverbände wurden nicht zur Teilnahme eingeladen. Alle angesprochenen Fachgesellschaften nahmen die Einladung zur Teilnahme an mit Ausnahme der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin. Die Deutsche Gesellschaft für Physikalische Medizin und Rehabilitation antwortete nicht auf die Einladung zur Teilnahme. Im Verlaufe der Leitlinienentwicklung wurde die Deutsche Gesellschaft für Thorax‑, Herz- und Gefäßchirurgie aus der Leitliniengruppe ausgeschlossen, weil ihr Delegierter nicht an der Onlineabstimmung teilnahm. Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin hatte Gelegenheit, sich im Rahmen der öffentlichen Konsultation zu äußern. Eine direkte Beteiligung ist bei Interesse bei der nächsten Aktualisierung geplant.

Für die psychologischen Fachgesellschaften wurde die Deutsche Gesellschaft für Psychologische Schmerzforschung und -therapie eingeladen. Neu in die Leitliniengruppe aufgenommen wurde als Vertreter der Pflege die Deutsche Gesellschaft für Pflegewissenschaften und als Vertreter der Apotheker der Bundesverband der Krankenhausapotheker. Die teilnehmenden Fachgesellschaften und ihre Delegierten der Konsensusgruppe sind in Tab. 3 aufgeführt (Tab. 3).

Tab. 3 Teilnehmende Fachgesellschaften (in alphabetischer Reihenfolge)

Beteiligung von Patienten

Die zwei angesprochenen Patientenselbsthilfeorganisationen (Deutsche Rheuma-Liga, SchmerzLOS) nahmen die Einladung an. Eine Vertreterin von SchmerzLOS war Mitglied der Steuerungsgruppe.

Redaktionelle Unabhängigkeit

Finanzierung der Leitlinie

Die Finanzierung der Leitlinienerstellung erfolgte durch die Deutsche Schmerzgesellschaft und die beteiligten Gesellschaften. Direkte oder indirekte finanzielle Unterstützungen jedweder Art von kommerziellen Einrichtungen wurden nicht verwendet. Die Kosten für die Leitlinienentwicklung (Programmierung der Internetplattform, Kosten der Literaturbeschaffung; externe Moderation der Konsensuskonferenzen) wurden von der Deutschen Schmerzgesellschaft übernommen. Die Fahrtkosten für die Konsensuskonferenzen wurden von den Teilnehmern bzw. ihren Fachgesellschaften getragen. Reisekosten und andere Auslagen wurden entsprechend dem Bundesdienstreisegesetz bzw. nach den im Hochschulbereich üblichen Richtlinien abgerechnet. Alle Mitglieder der Leitliniengruppe arbeiteten ehrenamtlich, eine Vergütung erfolgte nicht.

Darlegung von und Umgang mit Interessenkonflikten

Die Entwicklung von Leitlinien für die medizinische Versorgung verlangt über die fachliche Expertise hinaus eine strikte Vermeidung kommerzieller Abhängigkeiten, welche Leitlinieninhalte beeinflussen können. Die Erklärung der Teilnehmer der Leitlinienentwicklung ist für ihre Qualitätsbeurteilung und ihre Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit entscheidend. Alle Teilnehmer der Leitlinienerstellung unterschrieben vor Beginn der Entwicklung der Empfehlungen die Erklärung der AWMF über mögliche Interessenkonflikte vor dem Beginn der Aktualisierung der Leitlinie. Finanzielle und sonstige Verbindungen bzw. Interessenkonflikte der Teilnehmer der Leitlinienerstellung mit möglicherweise an den Leitlinieninhalten interessierten Dritten sind in Tab. 4 dargestellt.

Tab. 4 Finanzielle und sonstige Verbindungen bzw. Interessenkonflikte der Teilnehmer der Leitlinienerstellung mit möglicherweise an den Leitlinieninhalten interessierten Dritten (nach den Richtlinien der AWMF) der Steuerungsgruppe. Erklärung von Interessen und Umgang mit Interessenkonflikten. Im Folgenden sind die Interessenerklärungen als tabellarische Zusammenfassung dargestellt sowie die Ergebnisse der Interessenkonfliktbewertung und Maßnahmen, die nach Diskussion der Sachverhalte von der der LL-Gruppe beschlossen und im Rahmen der Konsensuskonferenz umgesetzt wurden

Entsprechend dem aktuellen AWMF-Regelwerk [4] wurden folgende Grade von Interessenkonflikten unterschieden:

  1. 1.

    Bei jeder Industriebeziehung: kein Interessenkonflikt bei fehlender thematischer Relevanz (z. B. pharmazeutische Firma vertreibt keine Opioide)

  2. 2.

    Als „gering“ wurden Interessenkonflikte in der Regel bewertet, wenn es sich um einzelne Vorträge handelte, die von Firmen bezahlt wurden, welche inhaltlich relevante Produkte herstellen – dann keine weiteren Maßnahmen.

  3. 3.

    Als „moderat“ wurden Interessenkonflikte in der Regel bewertet, wenn es sich um eine längerfristige Beziehung mit einer Firma handelt, zum Beispiel im Rahmen der Teilnahme an einem Advisory Board oder sonstiger wiss. Beratung; der Vergabe von Drittmitteln für Studien, sofern der Betreffende damit befasst ist oder dafür Verantwortung trägt; Aktienbesitz von einer Firma ab einer bestimmten Höhe (hier gibt es recht unterschiedliche Grenzen); hohe Zahl von Vorträgen für eine Firma (manchmal wird hier eine Anzahl bzw. ein bestimmter Geldwert angesetzt) – dies hat eine Stimmenthaltung oder Doppelabstimmung zur Folge.

  4. 4.

    Als „hoch“ wurden Interessenkonflikte in der Regel bewertet, wenn ein Mandatsträger für ein inhaltlich relevantes Produkt ein Patent hat oder wenn jemand in der Pharmaindustrie beschäftigt ist.

Die AWMF empfiehlt den Umgang mit Interessenkonflikten nach folgenden Prinzipien:

  • Koordinatoren von Leitlinienprojekten sollten keine thematisch relevanten Interessenkonflikte aufweisen. In Fällen, in denen dies unvermeidbar ist (z. B. weil die Expertise und das Engagement der betroffenen Person unverzichtbar sind), sollte ein Kokoordinator ohne thematisch relevante Interessenkonflikte (z. B. ein Methodiker oder Fachexperte als Peer) bestellt werden oder die Leitliniengruppe um Abwägung und Entscheidung gebeten werden.

  • Mitwirkende mit geringen Interessenkonflikten sollten keine leitende Funktion innerhalb der Leitliniengruppe ausüben (z. B. als Mitglieder von Lenkungsgremien/Steuergruppen, Arbeitsgruppenleiter, Hauptverantwortliche für die Evidenzaufbereitung, Moderatoren). In Fällen, in denen dies unvermeidbar ist, sollen Mitglieder ohne thematisch relevante Interessenkonflikte in Lenkungsgremien die Mehrheit darstellen und für Einzelfunktionen sichergestellt sein, dass jeweils ein Mitglied ohne thematisch relevante Interessenkonflikte als Peer bestellt wird.

  • Mitwirkende mit moderaten Interessenkonflikten sollten nicht an der Bewertung der Evidenzen und der Konsensfindung teilnehmen. Sie haben, sofern auf ihr Wissen nicht verzichtet werden kann, den Status von beratenden, nicht stimmberechtigten Experten. Alternativ können die Abstimmung und die Stärke des Konsensus mit und ohne die Teilnehmer mit mäßigen Interessenkonflikten angegeben werden.

  • Mitwirkende mit hohen Interessenkonflikten sollten nicht an Beratungen der Leitliniengruppe teilnehmen. Ihr Wissen kann in Form von schriftlichen Stellungnahmen eingeholt werden.

Da sich die Leitlinie mit einer Medikamentenklasse und nicht mit einem Spektrum von medikamentösen und nicht-medikamentösen Therapieverfahren befasste, beschloss die Steuergruppe in einem Delphi-Prozess, nur finanzielle Interessenkonflikte mit pharmazeutischen Firmen, welche Opioide vertreiben, zu werten. Akademische Interessenkonflikte mit Bezug auf chronische nicht-tumorbedingte Schmerzen (z. B. Vertreter einer Psychotherapieschule, die bei CNTS eingesetzt werden kann) wurden nicht gewertet.

Die angegebenen Interessenkonflikte der Steuergruppe wurden von zwei Mitgliedern des Präsidiums der Deutschen Schmerzgesellschaft, welche in den übrigen Leitlinienprozess nicht einbezogen waren (Prof. Dr. med. Claudia Sommer, Prof. Dr. med. Martin Schmelz), unabhängig voneinander überprüft. Diskrepanzen der Einschätzung wurden im Konsens erklärt.

Die beiden Sprecher der Steuergruppe, Prof. Dr.med. Winfried Häuser und Prof. Dr.med. Frank Petzke, die für die Evidenzaufbereitung und die Entwürfe der Empfehlungen zuständig waren, hatten keine finanziellen Interessenkonflikte. Sieben von acht Mitgliedern der Steuergruppe hatten keine finanziellen Interessenkonflikte. Die Voten eines Mitglieds der Steuergruppe mit moderaten Interessenkonflikten wurden bei den Delphi-Runden der Steuergruppe nicht gewertet. 32 Mitglieder der Konsensusgruppe hatte keine, zwei hatten geringe und drei hatten mäßige Interessenkonflikte (siehe Tab. 4). Bei der Onlineabstimmung und der Konsensuskonferenz erfolgte eine Auszählung der Stärke des Konsensus mit und ohne die Voten der drei Mitglieder mit moderaten Interessenkonflikten.

Die angegebenen Interessenkonflikte der Konsensusgruppe wurden bei der Konsensuskonferenz am 15.11.2019 bei Anwesenheit einer Vertreterin der AWMF, Dr. med. Monika Nothacker, diskutiert. Die Konsensusgruppe bewertete in Gesamtschau mit den weiteren protektiven Faktoren die Interessenkonflikte als insgesamt gering. Als weitere protektive Faktoren gegen den Einfluss von Interessenkonflikten wurden der Einsatz formaler Techniken zur Reduktion von Verzerrungsrisiken, die ausgewogene Gruppenzusammensetzung mit Pluralität der Interessen, das formale Konsensverfahren mit externer unabhängiger Moderation und die systematische Bewertung der Literatur gesehen.

Formulierung von Schlüsselfragen

Die Schüsselfragen von LONTS 2014 [27] wurden von der Steuerungsgruppe in einem Delphi-Verfahren für die Aktualisierung übernommen. Weiterhin wurden eine Befragung aller Teilnehmer der Leitliniengruppe 2019 sowie eine Onlinebefragung aller Mitglieder der Deutschen Schmerzgesellschaft vom 08.11. bis 30.11.2018 nach weiteren klinischen Fragestellungen durchgeführt. Folgende neue Fragestellungen wurden aufgenommen:

Präambel

Zu welchen opioidhaltigen Arzneimitteln soll die Leitlinie Stellung nehmen?

Gibt es eine Opioidepidemie in Deutschland?

Wie wird eine „Langzeitanwendung“ definiert? Gibt es dezidierte Empfehlungen für verschiedene Zeiträume (Wochen – Monate – Jahre) einschließlich der Empfehlung evtl. notwendiger durchzuführender Studien?

Praxis der Opioidtherapie

  • Wie kann sichergestellt werden, dass trotz Rabattverträgen in der Apotheke kein Austausch des verordneten Opioids erfolgt?

  • Gibt es Kohortenstudien, nach denen man eine Empfehlung zum Intervall der Reduktionsversuche und Therapiepausen machen kann?

  • Wie häufig ist nicht-medizinischer Gebrauch bei Verordnung einer Opioidtherapie? Wie häufig ist nicht-medizinischer Gebrauch bei Langzeittherapie/wie häufig entsteht Abhängigkeit/Sucht?

  • Führt die verstärkte Dopaminfreisetzung durch Oxycodon (im Vergleich zu Morphium) zu einem höheren Risiko einer Opioidabhängigkeit oder stärkeren Entzugssymptomen?

  • Führt die Tatsache, dass bei eigentlich retardierten Oxycodonpräparaten 40 % des Wirkstoffs schnell freigesetzt werden, zu einem höheren Risiko einer Opioidabhängigkeit?

  • Wie hoch ist das Risiko des schädlichen Gebrauchs von Opioiden in Kombination mit Gabapentin und Pregabalin?

  • Sollte man bei den Praxiswerkzeugen auch einen Symptomfragebogen zu Entzugssymptomen anbieten? Wie z. B. Scoring-Systeme wie die Subjective Opiate Withdrawal Scale (SOWS) oder die objektivere Clinical Opiate Withdrawal Scale (COWS)?

  • Gibt es Kriterien, die bei einem Patienten eher für einen ambulanten oder eher für einen stationären Opioidentzug sprechen?

  • Ist der Opioidentzug erfolgreicher, wenn man die Opioidgabe plötzlich abbricht (und entsprechend medikamentös unterstützt) oder wenn man die Dosis langsam hinuntertitriert?

  • Unter welchen Umständen ist eine Substitutionsbehandlung bei Abhängigkeit durch opioidhaltige Analgetika sinnvoll?

  • Welche Medikamente werden zur Unterstützung des Opioidentzugs empfohlen?

  • Wie sollte die Opioidreduktion bei der Hinzugabe von Cannabis erfolgen?

  • Wie ist die Kombination von Opioiden und Cannabinoiden zu bewerten?

  • Bei welchen Patienten mit CNTS, die im Verlauf einer (langdauernden) Opioidtherapie eine (iatrogene) Abhängigkeit (nach ICD) entwickeln, ist eine Substitutionstherapie mit retardierten Opioiden sinnvoll respektive eben nicht sinnvoll?

Spezifische Patientengruppen

  • Welche Maßnahmen werden zur Sturzprophylaxe beim Einsatz von Opioidanalgetika empfohlen?

  • Sind besondere Maßnahmen bei älteren Menschen mit kognitiven Einschränkungen erforderlich?

Systematische Literaturrecherche

Verwendung existierender Leitlinien zum Thema

Eine Literatursuche zu Leitlinien über Opioide bei CNCP wurde am 04.01.2019 in PubMed mit folgenden Suchbegriffen durchgeführt: [(guideline*[TI] OR recommendation*[TI] OR consensus[TI] OR standard*[TI] OR „position paper“ [TI] OR „clinical pathway*“ [TI] OR „clinical protocol*“ [TI] OR „good clinical practice“ [TI]) AND (opioids) AND (chronic pain)], und ergab 129 Treffer. Die Suche in der Datenbank des Guidelines International Network ergab 4 Treffer. In einem Delphi-Verfahren der Steuergruppe wurde beschlossen, solche Leitlinien zu berücksichtigen, die dem deutschen S3-Niveau entsprechen, d. h. systematische Literatursuche und Evidenzenbewertung, eigene Metaanalysen und Interdisziplinarität unter Einschluss von „Psycho“-Disziplinen. Leitlinien, die sich nur speziellen Patientenpopulationen (z. B. Kriegsveteranen) bzw. einzelnen CNCP (z. B. neuropathischen Schmerzen) widmen, wurden ausgeschlossen. Nach Sichtung der Treffer wurde eine Synopse der französischen [22], kanadischen [8] und US-amerikanischen Leitlinie des Center for Disease Control [11] von WH erstellt. Für die methodische Bewertung wurde das AGREE-Instrument genutzt [7]. Jede der drei Leitlinien wurde unabhängig von je zwei Mitgliedern der Steuergruppe mit AGREE II durchgeführt und Differenzen der Bewertung im Konsens geklärt.

Für alle evidenzbasierten Empfehlungen zu möglichen Indikationen und Kontraindikationen wurde auf der Homepage der AWMF überprüft, ob eine AWMF-Leitlinie zu der Erkrankung existiert, die zur Therapie mit Opioiden Stellung nimmt.

Datenbanken und Suchstrategie

Die Suchstrategie für die Datenbanken CENTRAL, MEDLINE und Scopus von Oktober 2013 bis Dezember 2018 orientierte sich an der Literatursuche der 1. Aktualisierung dieser Leitlinie [16]. Die Literatursuche wurde von Frau Dr. phil. Petra Klose durchgeführt. Die Suchstrategien sind in Tab. 5 ausgeführt.

Tab. 5 Search History, 31.12.2018

Bezüglich der Risiken von Opioiden wurde am 29.01.2019 in MEDLINE eine Suche mit folgenden Suchbegriffen durchgeführt: ((* AND opioid) AND (review OR cohort study)); * sleep apnea; hyopogonadism; fall; immune system; delirium; mortality. Für die Empfehlung zur Therapie des schädlichen/abhängigen Konsums von aus medizinischer Indikation verordneten Opioiden wurde die systematische Literatursuche und -aufbereitung der S3-Leitlinie „Medikamentenabhängigkeit“ (Literatursuche 2016 bis 2018) verwendet (siehe Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Ergebnisse der systematischen Literaturrecherchen. ÄZQ Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin; aRelevante Literatur nach Überprüfung der Treffer

Auswahl und Ergänzung der gefundenen Arbeiten

Die Suchergebnisse wurden mit den Literaturverzeichnissen der französischen [22], der kanadischen [8] sowie der US-amerikanischen Leitlinie [11] abgeglichen und gegebenenfalls ergänzt. Die ausgewählten Arbeiten wurden den Mitgliedern der Steuergruppe vorgelegt. Aus Sicht der Steuergruppe relevante Studien, die bei der Suche nicht gefunden wurden, wurden ergänzt. Weiterhin wurden einige von den Gutachtern in ihren Rückmeldungen genannte Referenzen nach Prüfung durch die beiden Sprecher der Steuergruppe für die Kommentare zu den Empfehlungen ergänzt.

Archivierung

Die Suchstrategien wurden elektronisch gespeichert. Die Treffer der Suchstrategien wurden gespeichert. Alle Arbeiten, die in den Empfehlungen der Arbeitsgruppen verwendet wurden, wurden als Volltext allen Teilnehmern der Leitlinienentwicklung auf Wunsch zur Verfügung gestellt.

Auswahl und Bewertung wissenschaftlicher Belege (Evidenzbasierung) in den systematischen Übersichtsarbeiten, welche den evidenzbasierten Empfehlungen zugrunde gelegt wurden

Auswahl der Evidenz

Erstellung von Metaanalysen und Evidenztabellen

Die systematischen Übersichtsarbeiten der ersten Aktualisierung der Leitlinie zu Opioiden bei Arthrose [28], chronischem Rückenschmerz [24], chronischen neuropathischen Schmerzen [29] und „open label extension studies“ [17] wurden aktualisiert. Bezüglich der Suchstrategien und Treffer wird auf die aktualisierten systematischen Übersichtsarbeiten verwiesen [6, 25, 30, 31].

Ein- und Ausschlusskriterien

Die Suchergebnisse wurden von Prof. Dr. med. Winfried Häuser und den anderen Autor*innen der systematischen Übersichtsarbeiten auf der Grundlage von Titeln und Abstracts unter Verwendung definierter Ein- und Ausschlusskriterien (Filter) für Verwendbarkeit für die Metaanalysen von RCTs analysiert. Filter 1 schloss Suchergebnisse bei folgenden Kriterien aus: Fragestellung nicht untersucht; keine kontrollierte Studie; Tierstudien; keine vollständige Publikation (z. B. Abstract); Fallberichte; Leserbriefe; Doppelpublikation. Die verbleibenden Studien wurden im Volltext bestellt. Filter 2 bedeutete „Ein- und Ausschluss aufgrund der Kriterien des Filters 1 nach Lektüre der Volltexte“.

Studiendesign

Wir schlossen doppelblinde, randomisierte, kontrollierte Studien (RCT) und Open-label-extension-Studien von RCTs mit therapeutischer Zielsetzung (Schmerzreduktion) ein. Die Studien mussten in einer Zeitschrift mit Peer-review-Verfahren veröffentlicht sein. Studien, die nur als Abstracts oder Poster publiziert waren, wurden ausgeschlossen.

Wir schlossen Studien mit einem Parallel‑, Cross-over- und Enriched-enrolment-randomized-withdrawal(EERW)-Design ein. Bei einem EERW-Design wird die erste Phase der Studie ohne Verblindung von Patienten und Studienarzt durchgeführt. In die zweite, doppelblinde, Phase der Studie werden nur die Patienten aufgenommen, welche die Kriterien einer a priori definierten Response zeigen (z. B. 50 % Schmerzreduktion) und die eine weitere Präparateeinnahme nicht wegen Nebenwirkungen ablehnen. Ein Teil der Responder erhält weiter das Studienmedikament, ein anderer Teil Placebo. Die RCT wird also ausschließlich mit Respondern durchgeführt. Die Generalisierbarkeit der erzielten Ergebnisse auf die gesamte Population mit der jeweiligen Krankheit wird wegen dieser Selektion kritisch gesehen, da die Verträglichkeit des Medikaments überschätzt wird, weil in die doppelblinde Phase nur Patienten aufgenommen werden, welche das Medikament in der nicht-verblindeten Phase vertragen haben. Dennoch wird der EERW-Ansatz als geeignetes Studiendesign für Studien bei chronischen Schmerzen angesehen, da auch in der Praxis – siehe Empfehlungen dieser Leitlinie – nur Patienten längerfristig behandelt werden sollen, welche in einer Einstellungsphase eine Schmerzreduktion bei fehlenden oder tolerablen Nebenwirkungen angeben [13, 21]. Für die Beurteilung der Wirksamkeit einer analgetischen Substanz bei zeitlich längerer Einnahme spiegelt gerade diese Selektion die klinische Praxis wider (ökologische Validität).

Studien mit Cross-over-Design wurden nur dann eingeschlossen, wenn a.) die Daten der beiden Behandlungsperioden getrennt berichtet wurden oder b.) statistische Tests durchgeführt wurden, welche keinen Hinweis auf einen signifikanten Carry-over-Effekt zeigten, oder c.) statistische Anpassungen im Falle eines signifikanten Carry-over-Effekts durchgeführt wurden. Bei der quantitativen Datensynthese wurden Studien mit einem Parallel- bzw. Cross-over-Design und Studien mit einem EERW-Design getrennt analysiert, da die Patientenpopulation der Doppelblindphase im EERW-Design sich aufgrund der vorgenommenen Selektion von der von Studien mit einem Parallel- oder Cross-over-Design unterscheidet. Damit ist verbunden, dass die Verträglichkeit der Medikation im Vergleich zu Studien mit einem Parallel- oder Cross-over-Design günstiger eingeschätzt wird.

Wir schlossen Studien aus, welche die opioidhaltigen Analgetika nach einer unverblindeten Startphase vollständig ausschlichen und anschließend eine doppelblinde, placebokontrollierte, parallele Studie mit den Respondern der unverblindeten Startphase durchführten.

Wir schlossen Studien aus, deren primäres Ziel die Überprüfung der Wirksamkeit von opioidhaltígen Analgetika als Bedarfsmedikation war.

Wir schlossen Studien mit einem experimentellen Design aus, z. B. wenn das primäre Studienziel das Studium von Schmerzmechanismen und nicht therapeutische Ziele (Schmerzreduktion) war.

Die Dauer der doppelblinden Therapiephase sollte mindestens 4 Wochen betragen (Aufdosierung und Erhaltungsphase bei Parallel- und Cross-over-Design; „double-blind withdrawal phase“ für EERW-Design). Die Dauer der Open-label-extension-Studien sollte mindestens 6 Monate sein.

Teilnehmer

Anzahl der Patienten: Die Studien sollten mindestens 10 Patienten pro Behandlungsarm haben.

Die Studien sollten mit Patienten (Frauen, Männer) aller Altersgruppen und Ethnien mit chronischen (mindestens 3 Monate bestehenden) nicht-tumorbedingten Schmerzen durchgeführt wurden.

Interventionen

Wir schlossen Studien, die opioidhaltige Analgetika mit Placebo, einem nicht-opioidhaltígen Analgetikum oder mit einem anderen opioidhaltigen Analgetikum oder einer nicht-pharmakologischen Intervention verglichen, ein. Wir analysierten Studien mit oraler oder transdermaler Medikamentenapplikation. Studien mit anderen Applikationswegen (z. B. intrathekal) wurden ausgeschlossen.

Wir schlossen Studien ein, in denen das opioidhaltige Analgetikum mit „abuse deterrent formulations (ADF)“ (z. B. Naloxon) kombiniert wurde.

Wir schlossen Studien mit Tramadol, einem μ‑Opioidrezeptor-Agonisten und Inhibitor der Aufnahme von Noradrenalin und Serotonin, ein. Wir schlossen Studien mit Tapentadol, einem μ‑Opioidrezeptor-Agonisten und Inhibitor der Aufnahme von Noradrenalin, ein.

Wir schlossen Studien von der quantitativen Datensynthese aus, in denen das opioidhaltíge Analgetikum in einem fixen Verhältnis mit einem nicht-opioidhaltigen Analgetikum kombiniert war (sog. Kombinationspräparate). Wir schlossen Studien aus, in denen ein opioidhaltíges Analgetikum ohne ADF mit demselben opioidhaltígen Analgetikum mit ADF verglichen wurde (z. B. Oxycodon mit und ohne Naloxon) oder in denen die Kombination von zwei opioidhaltígen Analgetika mit einem opioidhaltígen Analgetikum verglichen wurde.

Kriterien für Wirksamkeit und Risiken

Die folgenden primären Endpunkte (Outcomes) wurden quantitativ zusammengefasst:

Wirksamkeit („patient-reported outcomes“):

  1. 1.

    Anzahl der Patienten mit einer 50 %-Schmerzreduktion (falls die Ergebnisse nicht verfügbar waren: durchschnittliche Schmerzintensität)

  2. 2.

    Globales Befinden: Anzahl der Patienten mit einer starken bzw. sehr starken Verbesserung des allgemeinen Befindens

  3. 3.

    Körperliche Funktionsfähigkeit bzw. Beeinträchtigungserleben

Risiken

  1. 1.

    Anzahl der Patienten, welche die Studie wegen Nebenwirkungen abbrachen (Verträglichkeit)

  2. 2.

    Anzahl der Patienten mit schwerwiegenden Nebenwirkungen (Sicherheit)

  3. 3.

    Anzahl der verstorbenen Patienten

Als sekundäre Endpunkte wurden in den Metaanalysen 30 % und größere Schmerzreduktion, Schlafstörungen, Abbruch wegen Wirkungslosigkeit, Entzugssymptome nach Beendigung der Therapie und Hinweise auf missbräuchliche/abhängige Verwendung gewählt.

Statistische Maße

Die quantitative Datensynthese erfolgte mit der Software RevMan [26]. Die Effektmaße waren absolute Risikodifferenzen für dichotome Variablen und standardisierte Mittelwertdifferenzen (SMD) für kontinuierliche Variablen, welche mittels eines Random-effects-Modells (Methode inverse Varianz) berechnet wurden.

Unsicherheit wurde durch 95 %-Konfidenzintervalle angegeben. Der Grenzwert für einen relevanten Nutzen bzw. Schaden wurde durch eine Risikodifferenz (RD) < 10 für dichotome Variablen gesetzt [23]. Die Einteilung der Effektstärken der SMD erfolgte nach Cohen: 0–0,2: nicht substanziell; >0,2–0,5: gering; >0,5–0,8: mäßig; >0,8: stark [10]. Ein minimal bedeutsamer Unterschied („minimal important difference“) wurde bei einer SMD ≥0,2 angenommen [12]. Eine Wirksamkeit wurde angenommen, wenn Opioide in mindestens einem Endpunkt der Wirksamkeit gegenüber Placebo statistisch signifikant (p < 0,05) überlegen waren.

Die Heterogenität der gepoolten Effektstärken wurde anhand der I2-Statistik bestimmt; I2 > 50 % wurde als substanzielle Heterogenität bewertet [18].

Die Evidenztabellen (Charakteristika der Studien, Art und Dosis der Therapie, Dauer Therapie und Nachuntersuchung, Anzahl der Patienten in experimenteller und Kontrollgruppe; Ein- und Ausschlusskriterien; methodische Qualität nach den in 3.4.2 dargestellten Kriterien) sind in den für die Leitlinie durchgeführten systematischen Übersichtsarbeiten und Metaanalysen [6, 25, 30, 31] dargestellt.

Die systematischen Übersichtsarbeiten wurden von deutschen und ausländischen Gutachtern der Zeitschrift European Journal of Pain begutachtet. Kein Gutachter gehörte der Steuer- oder Konsensusgruppe an.

Als Grundlage für evidenzbasierte Empfehlungen wurden die eigenen Metaanalysen gewählt. Für die Empfehlungen zu potenziellen Indikationen und Kontraindikationen wurde bei einzelnen Krankheitsbildern, für die durch die dargestellte Literatursuche sowie die eigenen Metaanalysen keine RCT gefunden wurde, in PubMed eine Literatursuche mit den Suchworten „Opioid“ AND „randomised controlled trial“ AND Suchwort für das jeweilige Krankheitsbild durchgeführt. Wurden keine RCTs gefunden, wurden auch Kohortenstudien berücksichtigt. Für die Empfehlungen zu den Risiken einer Opioidtherapie erfolgte eine Literatursuche in PubMed mit den Suchworten nach Kohortenstudien für die einzelnen Risiken (z. B. hypogonadism). Für die Empfehlungen zur Praxis der Opioidtherapie erfolgte eine selektive Literatursuche in PubMed.

Patientenpräferenzen

Patientenvertreterinnen waren sowohl bei der Entwicklung als auch bei der Konsentierung der Empfehlungen beteiligt. Sie beteiligten sich an der Formulierung der Fragestellungen, der evidenz- und konsensbasierten Aussagen in der Phase der Erstellung, einschließlich der zugehörigen Erläuterungstexte, und nahmen an der Onlineabstimmung sowie der finalen Konsensuskonferenz teil. Weiterhin führten Patienten eine Pilottestung der Patientenversion durch.

Zur Prüfung der in der Literaturanalyse zur Wirksamkeit von Opioiden genutzten Outcomekriterien wurde eine Literatursuche in PubMed mit den Suchbegriffen (patient preferences AND opioids AND chronic noncancer pain) mit 6 Treffern durchgeführt. Dabei wurde eine systematische Übersichtsarbeit gefunden, welche sechs Studien qualitativ auswertete. Schmerzlinderung, Übelkeit und Erbrechen wurden von den Patienten als wichtigste Kriterien zur Beurteilung einer Behandlung genannt. Schmerzreduktion wurde als bedeutsamer angesehen als eine Suchtentwicklung. Patienten waren nur im Falle einer signifikanten Schmerzlinderung (>2 Punkte auf einer 11-stufigen Skala) bereit, Übelkeit und Erbrechen in Kauf zu nehmen, in den Studien wurden die Risiken Überdosierung und Sterblichkeit nicht erfasst [14]. Für LONTS wurden aus methodischen Überlegungen Nebenwirkungen nur in Bezug zum Studienabbruch berücksichtigt und nicht in Bezug auf Häufigkeit/Intensität.

Als weitere Quelle wurde das Guideline Panel Values & Preferences Statement der kanadischen Leitlinie berücksichtigt [8]. Diese Leitlinie betont die Notwendigkeit der Berücksichtigung seltener Nebenwirkungen wie Abhängigkeit, Überdosierung und Mortalität. Diese Kriterien werden in der vorliegenden Leitlinie im Kapitel „Praxis der Opioidtherapie“ in einzelnen Empfehlungen berücksichtigt. Weiterhin finden sich Aussagen zu diesen Themen in der Präambel (z. B. zum Vorliegen einer Opioidepidemie, Stellenwert der Opioide im Rahmen anderer Therapieoptionen chronischer Schmerzsyndrome, Prävalenz der missbräuchlichen/abhängigen Verwendung, Fehlversorgung). Außerdem war „Tod“ ein primärer Endpunkt der durchgeführten Metaanalysen. Die genannten Risiken der Opioidtherapie haben direkten Bezug zur klinischen Behandlungsrealität und sind nicht als Surrogatparameter einzuordnen. Die Verwendung von Surrogatparametern führt nach GRADE zu einer Abwertung der Qualität der Evidenz [15].

Bewertung der Evidenz

Kriterien der Evidenzlevel

Zur Klassifikation der Evidenzlevel (EL) wurde die Oxford-2009-Klassifikation verwendet (siehe Tab. 6; [9]).

Tab. 6 Methodische Qualität der wissenschaftlichen Belege: Klassifizierung der Evidenzgrade für Studien zu Therapie/Ätiologie/Prävention (Oxford Centre for Evidence-Based Medicine, 2009 [9])

Im Rahmen einer Evidenzhierarchie stellen bei dieser Leitlinie für therapeutische Verfahren Metaanalysen und systematische Übersichtsarbeiten von doppelblinden, randomisiert-kontrollierten Studie (RCT) die höchste Evidenzstufe dar, weil diese das geringste Risiko eines Bias des Studienergebnisses aufweisen.

Kriterien der Qualität der Evidenz

Die Qualität der Evidenz wurde nach dem Cochrane Risk of Bias Table [18] und nach GRADE (Grading of Recommendations Assessment, Development and Evaluation) [5] bestimmt. Die Operationalisierung der einzelnen GRADE-Kriterien orientierte sich an aktuellen Cochrane-Reviews [9] (siehe Tab. 7).

Tab. 7 Kriterien der methodischen Qualität der analysierten RCTs [23]

GRADE unterscheidet folgende Qualitäten der Evidenz [5]:

  • Hohe Qualität (⊕⊕⊕⊕): Wir sind sehr sicher, dass der wahre Behandlungseffekt nahe unserer Schätzung des Behandlungseffekts liegt.

  • Moderate Qualität (⊕⊕⊕): Wir sind mäßig sicher bezüglich des Behandlungseffekts: Der wahre Behandlungseffekt liegt wahrscheinlich nahe unserer Schätzung des Behandlungseffekts. Es besteht aber die Möglichkeit, dass ein erheblicher Unterschied besteht.

  • Niedrige Qualität (⊕⊕): Unser Vertrauen in unsere Schätzung des Behandlungseffekts ist beschränkt. Der wahre Behandlungseffekt kann sich erheblich von unserer Schätzung unterscheiden.

  • Sehr niedrige Qualität (⊕): Wir haben sehr geringes Vertrauen in unsere Schätzung des Behandlungseffekts. Der wahre Behandlungseffekt unterscheidet sich wahrscheinlich erheblich von unserer Schätzung.

Formulierung der Empfehlungen

Formulierung der Empfehlungen und Vergabe von Empfehlungsgraden

Die Graduierung der Empfehlungen (Empfehlungsstärke) erfolgt nach dem Regelwerk der AWMF [3]. Die Empfehlungen basieren auf der identifizierten Evidenz, der klinischen Expertise und den Patientenpräferenzen und schließen damit auch explizit subjektiv wertende Elemente ein. Bei S3-Leitlinien werden im Rahmen der formalen Konsensfindung zur Verabschiedung der Empfehlungen die methodisch aufbereitete Evidenz unter klinischen Gesichtspunkten gewertet und die Empfehlungen auf dieser Grundlage diskutiert. Abschließend wird die Stärke der Empfehlungen festgestellt und ein Empfehlungsgrad angegeben. Bei der Diskussion und Vergabe der Empfehlungsgrade sollten neben der zugrunde liegenden Evidenz konkret die folgenden Kriterien berücksichtigt werden:

  • Konsistenz der Studienergebnisse

  • Klinische Relevanz der Endpunkte und Effektstärken

  • Nutzen-Risiko-Verhältnis

  • Ethische, rechtliche, ökonomische Erwägungen

  • Patientenpräferenzen

  • Anwendbarkeit auf die Patientenzielgruppe und das deutsche Gesundheitssystem

  • Umsetzbarkeit im Alltag/in verschiedenen Versorgungsbereichen (siehe Abb. 2)

Abb. 2
figure 2

Verhältnis Evidenz- und Empfehlungsgrad. Aus [3]. aNach Oxford Centre for Evidence-Based Medicine. bEmpfehlungsgraduierung im Programm für Nationale Versorgungsleitlinien

Die Empfehlungsstärken wurden gemäß dem Regelwerk der AWMF [3] formuliert. Die Bedeutung der Stärke der Empfehlungen für die klinische Praxis wurde in Rücksprache mit der Methodenberaterin der AWMF präzisiert (siehe Tab. 8 und 9).

Tab. 8 Empfehlungsgrade für eine Therapie – evidenzbasierte Empfehlungen
Tab. 9 Empfehlungsgrade für eine Therapie – konsensbasierte Empfehlungen

Kriterien für Abstufung und Höherstufung von Empfehlungsgraden

Die Evidenzebenen (nach Oxford; Oxford Centre for Evidence-Based Medicine) sind maßgeblich für die Ableitung von Empfehlungsgraden: je höher die Evidenzebene, desto stärker auch die Empfehlung. In der Regel wird ein Empfehlungsgrad A (starke Empfehlung) bei einem Evidenzgrad I, ein Empfehlungsgrad B (Empfehlung) bei einem Evidenzgrad II und eine offene Empfehlung bei einem Evidenzgrad 3, 4 und 5 ausgesprochen (siehe Abb. 2).

Andererseits berücksichtigt die Vergabe der Empfehlungsgrade neben der Evidenz auch ethische Verpflichtungen, die klinische Relevanz der Effektivitätsmaße der Studien, die Anwendbarkeit der Studienergebnisse auf die Patientenzielgruppe, Präferenzen der Patienten und die Umsetzbarkeit in der Versorgung. Entsprechend diesen Konsensusaspekten kann eine Auf- oder eine Abwertung des Empfehlungsgrads gegenüber dem Evidenzgrad erfolgen (siehe Abb. 2). Die Vergabe der Empfehlungsstärke enthält explizit und implizit wertende Elemente und erfolgt im Rahmen des mehrstufigen Konsensusverfahrens (nominaler Gruppenprozess durch Delphi-Verfahren der Steuerungsgruppe, Onlineabstimmung der Steuerungs- und Konsensusgruppe und Konsensuskonferenz der Konsensusgruppe). Um vorgenommene Auf- und Abwertungen von Empfehlungen transparent zu machen, wurden von der Steuerungsgruppe a priori mögliche Kriterien einer Auf- und Abwertung in einem Delphi-Verfahren festgelegt:

Höherstufung des Empfehlungsgrads einer Maßnahme

  • Um einen Grad: Patientenpräferenzen oder ethische Verpflichtungen (Patientencharta und ärztliches Standesrecht)

  • Um zwei Grade: Patientenpräferenzen und ethische Verpflichtungen

Abstufung des Empfehlungsgrads einer Maßnahme

  • Um einen Grad: nur eine randomisierte, kontrollierte (Placebo) Studie ≥4 Wochen oder Anzahl Patienten in Metaanalyse <400 oder ungünstigeres Nutzen-Risiko-Verhältnis im Vergleich zu anderen medikamentösen oder nicht-medikamentösen Therapiealternativen

  • Um zwei Grade: zwei der drei Kriterien

  • Um drei Grade: alle drei Kriterien

Als weitere Empfehlungskategorie wurden konsensusbasierte Empfehlungen gewählt, d. h. Empfehlungen als gute klinische Praxis im Konsens und aufgrund der klinischen Erfahrung der Leitliniengruppe als ein Standard der Behandlung, bei dem keine experimentelle wissenschaftliche Erforschung möglich oder angestrebt ist.

Gesundheitsökonomische Aspekte wurden bei den Empfehlungen nicht explizit berücksichtigt.

Klassifikation der Konsensusstärke

Da aufgrund der Literaturkenntnisse der Mitglieder der Steuerungsgruppe abzusehen war, dass einige Themen der Leitlinie nicht auf der Grundlage von Studien beantwortet werden konnten, bzw. kontroverse Ansichten bei einigen Themen möglich schienen, wurde beschlossen, zusätzlich zu den Evidenz- und Empfehlungsgraden die Konsensusstärke bei den einzelnen Empfehlungen anzugeben.

Bei der Onlineabstimmung wurden die Voten jedes einzelnen Mitglieds der Konsensusgruppe gewertet. Jede teilnehmende Gesellschaft bzw. Patientenorganisation hatte bei der Konsensuskonferenz eine Stimme.

Die zusätzliche Angabe der Konsensstärke für jede Empfehlung gibt den Leitlinienanwendern einen Eindruck vom Ausmaß der Zustimmung der Beteiligten [19]: starker Konsens: Zustimmung von >95 % der Teilnehmer; Konsens: Zustimmung von >75–95 % der Teilnehmer; mehrheitliche Zustimmung: Zustimmung von >50–75 % der Teilnehmer; kein Konsens: Zustimmung von weniger als 50 % der Teilnehmer.

Ergebnisse

Delphi-Runden und Konsensuskonferenzen

Aus zeitökonomischen Gründen sowie aufgrund des knappen finanziellen Budgets wurden die Empfehlungen durch die beiden Sprecher der Steuergruppe erstellt und in insgesamt 19 Delphi-Runden (per E‑Mail) der Steuergruppe modifiziert und konsentiert (mit mehrheitlicher Zustimmung).

Vom 02.09.2019 bis 06.10.2019 erfolgte eine Onlineabstimmung der Delegierten der Fachgesellschaften. Die Ergebnisse der Onlineabstimmung mit den abgegebenen Kommentaren sowie die auf deren Basis von der Steuergruppe erstellten abschließenden Konsensusvorschläge wurden den Teilnehmern der Konsensuskonferenz per E‑Mail übermittelt.

Die abschließende Konsensuskonferenz unter Moderation der AWMF (Dr. med. Monika Nothacker) am 15.11.2019 in der Geschäftsstelle der Deutschen Schmerzgesellschaft in Berlin hatte folgenden Ablauf:

Teil 1: Kurzvortrag

  • Einführung in die Technik des formalen Konsensusverfahrens durch die Moderatorin

  • Gelegenheit zu Rückfragen zum methodischen Vorgehen

Teil 2: strukturierte Konsensfindung

  • Kapitelweises Vorgehen, Aufruf jeder Kernaussage bzw. jeder Empfehlung einzeln durch die Moderatorin

  • Registrierung von Stellungnahmen aus dem Plenum durch die Moderatorin

  • Klarstellung und Begründung alternativer Vorschläge

  • Vorherabstimmung über Erstentwurf und alle Alternativen

  • Feststellung von Diskussionspunkten und Dissens

  • Debattieren und Diskutieren

  • Endgültige Abstimmung

Die Diskussion und Abstimmung wurde von Frau Dr. med. Monika Nothacker geleitet. Die Abstimmung erfolgte mittels Handzeichen. Die Dokumentation der Abläufe und der Ergebnisse der Abstimmung erfolgte durch Herrn Prof. Dr. med. Frank Petzke.

Nach Konsentierung der Empfehlungen wurde durch die Steuergruppe der Volltextentwurf überarbeitet, Schlüsselempfehlungen identifiziert, Qualitätsziele formuliert und eine Kurzversion erstellt. Die endgültige Abstimmung erfolgte im Delphi-Verfahren der Steuerungsgruppe.

Die Patientenleitlinie wurde von einem Sprecher der Steuergruppe in Zusammenarbeit mit den drei Delegierten der an der Leitlinie beteiligten Patientenselbsthilfeorganisationen entwickelt. Die Entwicklung und Konsentierung erfolgte in drei Delphi-Runden.

Pilottestung

Eine Pilotversion der Patientenleitlinie wurde bei den Treffen von zwei Selbsthilfegruppen von SchmerzLOS und zwei Selbsthilfegruppen der Deutschen Rheuma-Liga verteilt. Die 16 bzw. 13 Teilnehmer der Treffen meldeten zurück, dass der Text laienverständlich geschrieben sei und die wichtigsten Patientenfragen beantwortet.

Externe Begutachtung und Verabschiedung

Eine externe Begutachtung erfolgte durch eine Vertreterin der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft, Professor Dr. med. Heike Rittner (Würzburg), die Präsidentin der Österreichischen Schmerzgesellschaft, Dr. med. Gabriele Grögl, Prof. Dr. med. Michael Zenz (Bochum) und Prof. Dr. med. Rainer Sabatowski (Dresden). Die Anmerkungen der externen Gutachter wurden von den beiden Sprechern der Steuergruppe gesichtet. Kommentare, die sich auf inhaltliche Ergänzungen der Kommentare zu Empfehlungen bezogen (z. B. Formulierung, neue Literaturstelle), wurden im Konsens angenommen bzw. abgelehnt. Wurde kein Konsens zwischen den beiden Sprechern erzielt, wurde eine Delphi-Befragung der Steuergruppe durchgeführt. Die im Konsens der beiden Sprecher vorgenommenen Änderungen wurden der Steuergruppe zur Prüfung und Zustimmung zur Verfügung gestellt. Im Falle einer fehlenden Zustimmung eines Mitglieds der Steuergruppe zu einer Änderung wurde über diese in einem Delphi-Verfahren abgestimmt. Die Gutachter wurden nach den Modifikationen gefragt, ob sie ihre Kommentare ausreichend berücksichtigt sahen. Aufgrund der Rückmeldungen der Gutachter wurde keine Empfehlung bzgl. Inhalt oder Empfehlungsstärke geändert. Die Textpassagen von 30 Kommentaren wurden modifiziert.

Die öffentliche Kommentierungsphase der Leitlinie wurde von der Geschäftsstelle der Deutschen Schmerzgesellschaft über die Medien mit einer Presseerklärung am 02.12.2019 angekündigt. Die Ankündigung wurde an alle Mitglieder der DGSS per E‑Mail verschickt. Die öffentliche Kommentierungsphase fand vom 02.12.2019 bis 18.01.2020 statt. Es gingen 6 Kommentare ein. Diese wurden analog dem Vorgehen mit den Kommentaren der Gutachter behandelt. Aufgrund der öffentlichen Rückmeldungen wurde keine Empfehlung bzgl. Inhalt oder Empfehlungsstärke geändert. Eine Feststellung wurde sprachlich und inhaltlich präzisiert. Die Textpassagen von sechs Kommentaren wurden modifiziert.

Die PDFs mit den Kommentaren der Gutachter zu dem Leitlinienreport und den Empfehlungen mit den Antworten der Sprecher der Steuergruppe sind auf Anfrage erhältlich. Die Antworten der Sprecher der Steuergruppe auf die öffentlichen Kommentare sind auf Anfrage erhältlich.

Das finale Manuskript wurde den Vorständen der beteiligten Fachgesellschaften mit der Bitte um Stellungnahme und Autorisierung gesandt. Alle Präsidien der beteiligten Fachgesellschaften, Berufsverbände und Selbsthilfeorganisationen stimmten der Leitlinie zu.

Annahme durch die AWMF

Die Leitlinienaktualisierung wurde am 12.03.2020 bei der AWMF eingereicht und am 01.04.2020 von der AWMF angenommen (AWMF-Registernummer 145/003).

Diskussion

Anwendbarkeit und Nachvollziehbarkeit

Gesundheitsökonomische Aspekte wurden bei spärlicher Datenlage nicht umfassend bearbeitet. Die explizite Berücksichtigung der Kosten erfolgte nicht.

Die behandelten Fragestellungen wurden thematisch gegliedert in den Kapiteln der Leitlinie abgehandelt. Nach den Empfehlungen erfolgen die Kommentare, in denen Erläuterungen sowie die Literaturstellen, die als Evidenzbasis herangezogen wurden, enthalten sind. Die Evidenztabellen (Inhalte, methodische Qualität und externe Validität der Studien) sowie die quantitativen Datensynthesen (Metaanalysen) mit ihren Forest Plots sind frei auf der Homepage der AWMF sowie über PubMed als Electronic Supplementary Material der durchgeführten Metaanalysen zugänglich.

Verbreitung und Implementierung

Die Leitlinie (Kurzversion, Vollversion), der Leitlinienreport und der Evidenzbericht sind auf den Internetseiten der AWMF (www.awmf.org/leitlinien.html) einsehbar.

Die vollständige wissenschaftliche Version der Leitlinie wird im Juni 2020 als Themenheft der Zeitschrift Der Schmerz erfolgen.

Eine Patientenversion der Leitlinie ist auf den Homepages der beteiligten Selbsthilfeorganisationen aufrufbar. Die Inhalte der neuen Leitlinie werden in den Mitgliederzeitschriften der beiden Selbsthilfeorganisationen dargestellt. Die ÄZQ entwickelte im September 2014 – basierend auf der wissenschaftlichen und Patientenleitlinie der Aktualisierung von LONTS – eine Patienteninformation „Opioide und chronische Schmerzen“ [1].

Die Mitglieder der Leitliniengruppe werden die Leitlinienempfehlungen auf Kongressen ihrer Fachgesellschaften, regionalen Fortbildungsveranstaltungen und Qualitätszirkeln vorstellen.

Für die internationale Verbreitung der Leitlinie sind folgende Maßnahmen geplant: Die aktualisierte Version der Leitlinie wird über die Homepage des Internationalen Leitliniennetzwerks https://g-i-n.net/ verfügbar sein. Eine englischsprachige Zusammenfassung der wichtigsten Empfehlungen wird in PAIN REPORTS (open access Zeitschrift der International Association for the Study of PAIN) publiziert werden.

Unterstützende Materialien für die Anwendung der Leitlinie

Die Leitlinie enthält 11 Praxiswerkzeuge, welche über Links im Leitlinientext auf der Homepage der AWMF frei zugänglich sind.

Eine Kitteltaschenversion der Leitlinie wird in Zusammenarbeit mit der DEGAM entwickelt und bei Hausarztqualitätszirkeln evaluiert werden.

Redaktionelle Änderungen im Vergleich zur 1. Aktualisierung der Leitlinie

Die Formulierung für eine evidenzbasierte positive Empfehlung der ersten Aktualisierung der Leitlinie wurde von „soll, sollte und kann (durchgeführt)“ in „soll, sollte oder kann empfohlen werden“ geändert, um den Aspekt der gemeinsamen Entscheidungsfindung von Arzt und Betroffenen zu betonen.

Methodische Änderungen im Vergleich zur 1. Aktualisierung der Leitlinie

Neben der Befragung der Mitglieder der Steuer- und Konsensusgruppe wurden auch die Mitglieder der Deutschen Schmerzgesellschaft durch einen Internet-Survey zu neuen Themen der Leitlinie befragt.

Die systematischen Übersichtsarbeiten mit Metaanalysen, welche den evidenzbasierten Empfehlungen zu potenziellen Indikationen zugrunde gelegt wurden, wurden nicht mehr in der Zeitschrift Der Schmerz, sondern im European Journal of Pain eingereicht und begutachtet. Die Volltexte der Publikationen inkl. ergänzender Informationen sind über PubMed kostenfrei (Open Access) zugänglich [6, 25, 30, 31].

Ein Kapitel über Patientenpräferenzen wurde ergänzt.

Diskussion möglicher organisatorischer und/oder finanzieller Barrieren gegenüber der Anwendung der Leitlinienempfehlungen

Mögliche Barrieren der Anwendung der Leitlinienempfehlungen können bei den Betroffenen, Angehörigen, Personen des Gesundheitswesens und Medien identifiziert werden:

  • Betroffene: Unwissen (z. B. bzgl. potenzieller Nebenwirkungen der Therapie); unrealistisch hohe Therapieerwartungen an bzw. irrationale Ängste vor einer längerfristigen Therapie mit opioidhaltigen Analgetika

  • Angehörige: Unwissen (z. B. bzgl. potenzieller Nebenwirkungen der Therapie); unrealistisch hohe Therapieerwartungen an bzw. irrationale Ängste vor einer längerfristigen Therapie mit opioidhaltigen Analgetika

  • Personen des Gesundheitswesens (Apotheker, Ärzte, Pflege, Physiotherapeuten, Psychologen): unzureichendes Wissen in der Verschreibung von opioidhaltigen Analgetika beim CNTS; fehlende Zeit und Ressourcen; Unwissen (z. B. bzgl. potenzieller Nebenwirkungen der Therapie); unrealistisch hohe Therapieerwartungen an bzw. pauschale Ablehnung einer längerfristigen Therapie mit opioidhaltigen Analgetika; emotionale Vorbehalte gegen opioidhaltige Analgetika; erhöhter Zeitaufwand bei Ausstellung von Betäubungsmittelrezepten; Wahrnehmung von Leitlinienempfehlungen als Einmischung in die ärztliche Therapiefreiheit und als „Kochbuchmedizin“

  • Medien: Fördern von unangemessenen hohen Erwartungen an bzw. Angst vor einer längerfristigen Therapie mit opioidhaltigen Analgetika

Mögliche Lösungsmöglichkeiten sind eine wirksame Verbreitung und Implementierung der Leitlinie sowie ausgewogene Berichte von Medien nach Beratung durch medizinische Experten.

Messgrößen für das Monitoring: Qualitätsziele

Qualitätsindikatoren

Die Qualitätsziele und -indikatoren der Leitlinie sind in Tab. 10 aufgeführt.

Tab. 10 Qualitätsziele der Leitlinie

Die Implementierung der Leitlinie soll die Behandlungsqualität verbessern. Da eine Leitlinie formal als These aufzufassen ist, soll sie in einem angemessenen Zeitraum dahingehend evaluiert werden, ob diese Ziele erreicht werden. Folgende Evaluationsmaßnahme ist geplant: Analyse der Daten der Barmer Ersatzkasse, ob sich die Häufigkeit nicht-leitlinienkonformer Verschreibungen bei funktionellen/somatoformen Störungen reduziert hat.

Gültigkeitsdauer und Aktualisierungsverfahren

Die letzte inhaltliche Überarbeitung war am 15.02.2020.

Aktualisierungsverfahren

Die Leitlinie hat eine Gültigkeit bis 4/2025, zu diesem Zeitpunkt ist eine Durchsicht des Gesamtmanuskripts zur Feststellung des Überarbeitungsbedarfs vorgesehen. Zwischenzeitliche Erkenntnisse, die eine Aktualisierung einzelner Abschnitte oder Empfehlungen erforderlich machen können, werden von der Steuerungsgruppe beobachtet. Relevante Abstracts aller neuen Publikationen in MEDLINE zu CNTS-Syndromen werden über einen elektronischen Literaturagenten gemeldet und vom Leitliniensekretariat auf Relevanz für die Leitlinie gesichtet. Hinweise sind auch von den Adressaten der Leitlinie ausdrücklich erwünscht und können an den Koordinator (whaeuser@klinikum-saarbruecken.de) gerichtet werden bzw. über die Kommentierungsfunktion der Homepage der AWMF eingereicht werden. Bei neuen, relevanten und anerkannten Erkenntnissen, die im Gegensatz zur Aussage der Leitlinie stehen, sind Benachrichtigungen innerhalb von 3 Monaten in den Fachzeitschriften der beteiligten Gesellschaften sowie ein Addendum der Leitlinie auf der Homepage der AWMF vorgesehen.

Das Datum der Veröffentlichung, das Datum der nächsten geplanten Überarbeitung sowie die Anmeldung der geplanten und/oder zwischenzeitlichen Aktualisierungen werden im öffentlich zugänglichen Verzeichnis der AWMF (http://www.awmf-leitlinien.de) ausgewiesen. Gültig ist nur die jeweils neueste Version gemäß dem AWMF-Register.